Nach dem Innenausschuss ist vor dem Innenausschuss

Die überarbeitete Novelle im Überblick

Am 7. März wurden die Änderungesanträge von SPD und LINKE im Ausschuss für Inneres und Kommunales im Brandenburger Landtag angenommen. Die Kritikpunkte von Sachverständigen werden dabei zum größten Teil missachtet

Abgesehen davon, dass das ohnehin unhaltbare heimliche Abhören von Messenger-Diensten, wie zu erwarten war, aus dem Gesetzesentwurf entfernt wurde und ebenso die – um entsprechende Schadsoftware auf zu Hause vergessene Mobilfunkgeräte aufspielen zu können – heimliche Wohnungsdurchsuchung, ist im neuen nicht viel los. Noch immer scheinen die Abgeordneten von SPD und LINKE nicht zu begreifen, welche Bedeutung die Ausweitung des Polizeirechts auf eine vermeintliche Terrorabwehr für rechtsstaatliche Prinzipien und die Gewährung unsere Grundrechte mit sich bringt. Das Spiel mit der drohenden Gefahr im Polizeirecht markiert einen fundamentalen Umbruch im (Selbst-)Verständnis polizeilichen Handelns. Die rot-rote Koalition öffnet damit die Tore für nachfolgende Regierungen, das Brandenburger Polizeirecht – so, wie es die konservative Opposition jetzt schon fordert – weiter auszubauen in Richtung eines Feindstrafrechtes. Wenn die Brandenburger Regierung beschließt, dass Verhaltensweisen, die an sich nicht strafbar sind zum Anknüpfungspunkt für behördliches Prognostizieren von Straftaten werden, befördert sie ein Klima der Angst vor staatlicher Repression und Überwachung und leistet dem gesellschaftlichen Rechtsruck weiterhin Vorschub, statt die Bemühungen endlich auf die Verringerung der wachsenden sozialen Ungleichheit zu konzentrieren.

Die kleinen Nachbesserungen nehmen weder die Kritikpunkte der Sachverständigen des im Ausschusses für Inneres und Kommunales ganzheitlich ernst, noch findet sich darin eine Reflektion der in der Außerparlamentarischen Anhörung gehörten Kritiken.

Die polizeilichen Gefahrenprognosen sollen im Idealfall das vorweggenommene Ergebnis verhindern: Eine nachträgliche Überprüfung der Zweckmäßigkeit, der damit einhergegangenen Erweiterung des polizeilichen Handlungsspielraums, ist ohnehin schwierig. Im Gesetzesentwurf ist nicht einmal eine Idee vorhanden (geschweige denn eine konkrete Forderung danach), wie die neuen Befugnisse möglichst valide evaluiert werden können.

LINKE und SPD winken kommenden Mittwoch im Landtag ein perfides Paragrafenwerk durch, das den populistischen Ton im Brandenburger Sicherheitsdiskurs nur noch mehr befeuert: der anfängliche Bezug auf terroristische Bedrohungen ist ein altbekannter Gemeinplatz und nach ein paar Jahren merkt niemand mehr, wie die angebliche absolute Ausnahme zu Normalität wird. DIE LINKE fordert die Abschaffung von 129a StGB und trägt jetzt ein Polizeigesetz mit, was sich ausdrücklich auf diesen umstrittenen Terror-Paragraphen stützt.

Zur ergänzenden Kritik an der Verschärfung des Brandenburger Polizeigesetzes, siehe auch die Stellungnahmen der außerparlamentarischen Anhörung vom 2. März.


1. Ausweitung der Schleierfahndung bzw. der anlasslosen Personenkontrollen und Durchsuchungs- und Festnahmebefugnisse von einem bisherigen Grenzbereich (30 km-Zone) auf das Landesinnere:
Die Ausweitung der Schleierfahndung bleibt im Entwurf enthalten. Eingeschränkt wurden allerdings die Arten der Verkehrsstraßen und Plätze. Daneben muss die Polizei vorher dokumentieren, inwiefern am betroffenen Ort auch tatsächlich Kriminalität stattfindet.  

Allerdings soll ein mahnender Nachsatz mit Verweis auf Artikel 3 des Grundgesetzes sowie auf Artikel 12 der Brandenburger Verfassung, Beamtinnen daran hindern, Menschen aufgrund ihres Aussehens oder ihrer Hautfarbe zu diskriminieren: Wenn eine Gesetzgebung die Polizeibehörde daran erinnern muss, dass auch sie an Grundrechte und Landesverfassung gebunden sind, gesteht der Gesetzgeber ein, dass auch seitens der Brandenburger Polizei rassistische Diskriminierung statt findet, der nicht entgegen gewirkt wird. Es gibt keine Bestrebungen seitens der Landesregierung, eine unabhängige Polizeikontrollstelle einzuführen. Gerade die hier nachgereichte Mahnung nimmt vorweg, wie das Instrument der erweiterten Schleierfahndung insbesondere nicht-deutsche Menschen polizeilichen Schikanen aussetzen wird – es ist beschämend für eine sozialdemokratische Regierung, hieran mitzuwirken.

2. Explizite Meldeauflagen u. a. im Bereich des Versammlungsgesetzes; bis zu einem Monat kann die Polizei ohne richterlichen Beschluss und ohne großen Begründungserfordernissen Personen verpflichten, sich regelmäßig an einer Polizeistelle zu melden:
Nach wie vor sieht das neue Gesetz vor, dass die Behörde Menschen Meldeauflagen verhängen kann, sofern sie davon ausgeht, dass Mensch bald eine Straftat begeht. Allerdings wurde der Straftatbezug zum Versammlungsgesetz eingeschränkt: nur noch, wer mutmaßlich Waffen mit auf eine Demo bringen will, soll mit Meldeauflagen belegt werden können.
3. Im Rahmen der „Terrorismus“-Abwehr: Massive Ausweitung der Eingriffsmöglichkeiten und Grundrechtseinschränkungen auf Grundlage von unbestimmten bzw. nicht näher definierten Merkmalen, die sich den vielfach im Kontext des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes kritisierten Begriffs der „drohenden Gefahr“ gleichen. Menschen können von der Polizei weit im Vorfeld einer Gefahrensituation als Gefährder bzw. als drohende Gefahr eingestuft und so massiven Repressionen und Überwachungen ausgesetzt werden, u. a. Gewahrsamnahmen bis zu einem Monat, Aufenthaltsgebote und Kontaktverbote.
Weder wurde für den Gesetzesentwurf die Definition von Terrorismus präzisiert, noch an schwammigen Formulierungen wie den „übersehbaren Zeiträumen“ oder den „konkreten Wahrscheinlichkeiten“ oder die “ zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise“ gearbeitet. Für Polizisti*nnen sollte somit nach wie vor unklar sein, wann sie Menschen vorsorglich in Gewahrsam nehmen dürfen, Kontaktverbote oder Aufenthaltsgebote verhängen können. Noch immer also gilt, dass die Drangsalierungen auf nicht tatverdächtige, nie straffällig gewordene Personen fällt – eine drohende Gefahr ist eben noch immer keine Straftat.
Bei präventiven Gewahrsamnahmen sieht der Gesetzesentwurf erst nach dem vierten Tag das Recht auf einen anwaltlichen Beistand vor. Nach wie vor kann Menschen für einen Monat weggesperrt werden, ohne eine Straftat begangen zu haben.
4. Ausweitung der polizeilichen Videoüberwachung an öffentlichen Straßen und Plätzen und an 'gefährdeten' Objekten und ihrer näheren Umgebung und längere Speicherzeiten: 2 Wochen statt 48 Stunden. Allein die Polizei entscheidet über die Erfordernisse einer Überwachung.
Auch hierbei bleibt der Gesetzesentwurf, die Einwände der Brandenburger Datenschutzbeauftragten wurden wohl überhört.
5. Einsatz von Bodycams und Fahrzeugkameras für die allein von der Polizei gesteuerten Aufnahme von Bild- und Tondaten
Die Frage nach Sinn und Unsinn körpernah getragener Mittel zur Eigensicherung von Polizeibeamt*innen, die durchaus auch im Ausschuss für Inneres und Kommunales am 9. Januar gestellt wurde, greift weder die neue Gesetzesbegründung noch das Gesetz selbst auf. Immerhin müssen Kameras auf Fahrzeugen nun „durch geeignete Mittel“ erkennbar sein oder (!) die betroffenen über Bild- und Tonaufnahmen informiert werden. Binnen zwei Wochen sind die angenommenen Daten zu löschen, es sei denn, die Polizei braucht sie noch – zum Beispiel zur Strafverfolgung oder zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten „mit erheblicher Bedeutung“. Und es sei denn, Betroffene wollen deren Rechtmäßigkeit überprüfen lassen. An wen Mensch sich hier genau wendet und wie die Einsichtnahme abzulaufen hat, regelt das Gesetz natürlich nicht. Die Kameras speichern ihre Aufnahmen automatisch alle 60 Sekunden über, erst wenn Polizist*innen das Aufnehmen auslösen, wird die gewünschte Zeitspanne lang gefilmt, abgehört und gespeichert. Zur Kritik an der Praxis siehe Fragen und Antworten.

Sofern Daten gespeichert werden, müssen aufgenommene Personen darüber informiert werden und das Auslesen der Daten unterliegt einem Richtervorbehalt, es sei denn, die Polizei erkennt Gefahr im Verzug. Wenn Richter*innen nicht zustimmen, muss die Polizei die Aufnahmen löschen.

6. Erweiterung der Öffentlichkeitsfahndung (Suche mittels Angaben von persönlichen Daten (Bilder, Personenbeschreibungen etc.)) ins Vorfeld einer vermuteten Straftat statt wie bislang allein zur Aufklärung von Straftaten
Präventives an den Pranger stellen bleibt der Polizei erhalten.

7. Einsatz von Handgranaten bzw. Sprengmitteln gegen Personen möglich.
Obwohl sich selbst die Polizeigewerkschaft von der Notwendigkeit der Maßnahme distanziert hat, sind auch die Handgranaten erneut stehen geblieben.