1. Ausweitung der Schleierfahndung bzw. der anlasslosen Personenkontrollen und gegebenenfalls Durchsuchungs- und Festnahmebefugnisse von einem bisherigen Grenzbereich (30 km-Zone) auf das Landesinnere (§ 12)
Nicht so schlimm?
„Insoweit erweist es sich als verfassungsrechtlich nicht tragfähig, dass der Gesetzentwurf nicht einmal einen Versuch der näheren, restriktiveren Bestimmung der vorbeugend zu bekämpfenden Straftaten unternimmt.“ Stellungnahme von Prof. Dr. F. Roggan, Professur f. Strafrecht FH d. Polizei Brb.
„Damit wird jede rechtsstaatliche Unterscheidung von Störern und Nichtstörern aufgegeben und jeder Mensch auf Straßen in Brandenburg kann […] auf allen Straßen, allein begründet durch „polizeiliche Erkenntnisse“ über mutmaßlich grenzüberschreitende Kriminalität, einer Identitätsfeststellung mit den zugehörigen Anschlussmaßnahmen, wie Durchsuchungen und Datenabgleich sowie einer hieraus folgenden Datenspeicherung unterworfen werden, was neben der mangelnden Bestimmtheit der Eingriffsbefugnis auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widerspricht. Prof. Dr. C. Arzt Direktor Forschungsinstitut für Öffentliche und Private Sicherheit
2. Erstmals explizite Meldeauflagen u. a. im Bereich des Versammlungsgesetzes (§ 15a); bis zu einem Monat kann die Polizei ohne richterlichen Beschluss und ohne großen Begründungserfordernissen Personen verpflichten, sich regelmäßig an einer Polizeistelle zu melden (zur Unterbindung der Teilnahme an Demonstrationen, Fußballspielen etc.).
Nicht so schlimm?
„[…] das faktische Untersagen der Teilnahme an dieser Versammlung anstelle milderer Maßnahmen wie der Sicherstellung vor Ort ist unverhältnismäßig und stellt zudem einen schwerwiegenden Eingriff in die von Art. 8 GG geschützte Versammlungsfreiheit dar. […] Die Maßnahme ist also nicht erforderlich und unangemessen und zudem mit Art. 8 GG nicht vereinbar. “ Prof. Dr. C. Arzt Direktor Forschungsinstitut für Öffentliche und Private Sicherheit
3. Legalisierung von Hauseinbrüchen für die Polizei, damit sie Spionagesoftware oder sonstige Überwachungsmöglichkeiten auf technischen Geräten anwenden kann (§ 23)
4. Im Rahmen der „Terrorismus“-Abwehr: Massive Ausweitung der Eingriffsmöglichkeiten und Grundrechtseinschränkungen auf Grundlage von unbestimmten bzw. nicht näher definierten Merkmalen, die sich den vielfach im Kontext des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes kritisierten Begriffs der „drohenden Gefahr“ gleichen. (§ 28a bis § 28f):
Nicht so schlimm?
„Schwerste Grundrechtseingriffe wie strafbewehrte Aufenthalts- und Kontaktverbote, Datenerhebung durch Eingriffe in informationstechnische Systeme und letztlich Freiheitsentziehung sind bei einer lediglich drohenden Gefahr verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen.“ Stellungnahme Deutscher Anwaltverein
„Denn betroffen sind stets konkret nicht tatverdächtige Personen, was ein polizeiliches Handeln auch dann nicht zulässt, wenn man der begrifflichen Negation ein „noch“ voranstellt: Das Gesetzesvorhaben will aber genau dies, wenn es ganz erhebliche polizeiliche Eingriffsbefugnisse im Ergebnis auf „noch nicht tatverdächtigte Personen“ ausweitet“ Stellungnahme Neue Richtervereinigung
- Menschen können von der Polizei weit im Vorfeld einer Gefahrensituation als Gefährder bzw. als drohende Gefahr eingestuft und so massiven Repressionen und Überwachungen ausgesetzt werden, u. a. Gewahrsamnahmen bis zu einem Monat, Aufenthaltsgebote und Kontaktverbote, Online-Überwachung mit Spionagesoftware.
- Ausweitung der automatischen Kennzeichenfahndung
5. Ausweitung der geheimdienstlichen Methoden bei der Polizei: Quellen-Telekommuniskationsüberwachung (TKÜ) u.a. mittels Einsatz von Spionagesoftware („Staatstrojaner“) und unter Ausnutzung von IT-Sicherheitslücken, um verschlüsselte Kommunikation zu überwachen. (§ 28e)
Nicht so schlimm?
„Vor dem Hintergrund ist der Gesetzentwurf verfassungsrechtlich schon im Ansatz problematisch, weil er eine Rechtsgrundlage für eine Maßnahme schafft, die aus tatsächlichen Gründen nicht legal durchzuführen sein dürfte. Aus der Perspektive des Schutzes der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) ist ein derart blindes Vertrauen in die von den Ermittlungsbehörden einzusetzenden Staatstrojaner ohne einen rechtsstaatlich ausreichenden Überprüfungsmechanismus nicht hinnehmbar.“ Stellungnahme Dr. iur. Ulf Buermeyer, Landgericht Berlin, Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.
„Mehr noch, sollen hier zu polizeilichen Zwecken bewusst Sicherheitslücken in informationstechnischen Systemen ausgenutzt und diese gezielt nach Erkennen offen gehalten, um auch zukünftig informationstechnische Systeme infiltrieren zu können, Dies widerspricht auch der staatlichen Schutzpflicht für die betroffenen Grundrechte und den Aufgaben des BSI nach § 3 BSIG;“ Stellungnahme Prof. Dr. C. Arzt Direktor Forschungsinstitut für Öffentliche und Private Sicherheit
6. Ausweitung und längere Speicherzeiten (2 Wochen statt 48 h) der polizeilichen Videoüberwachung an öffentlichen Straßen und Plätzen und an ‚gefährdeten‘ Objekten und ihrer näheren Umgebung (der Umgebungsbegriff ist dabei in der Gesetzesbegründung tuelle Gesetzesentwurf, der nach wie vor drastische Verschärfungen beinhaltet, wurde vor kurzem vom Kabinett, also von den Minister*innen der rot-roten Landesregiebesonders hervorgehoben im Hinblick auf Kraftwerke und Flughäfen). Allein die Polizei entscheidet über die Erfordernisse einer Überwachung (§ 31).
7. Einsatz von Bodycams für die allein von der Polizei gesteuerten Aufnahme von Bild- und Tondaten (§ 31a)
Nicht so schlimm?
„Belastbare Daten und Untersuchungen über eine seit mehr als 15 Jahren angeblich stetig zunehmende körperliche Gewalt gegen Leib oder Leben von Polizeibeamtinnen und -beamten jenseits der durch eigene Anzeigen generierten Daten liegen nicht vor; […] Dabei sollte auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass neue wissenschaftliche Untersuchungen über die Nutzung von Bodycams nahelegen, dass unter Umständen sogar mehr Übergriffe auf Polizeibeamtinnen und -beamte und teilweise auch eine Zunahme der Gewaltanwendung durch Polizeibeamte zu verzeichnen war […]“ Stellungnahme Prof. Dr. C. Arzt, Direktor Forschungsinstitut für Öffentliche und Private Sicherheit
„Die Befugnis Körperkameras auch in Wohnungen einzusetzen, wie es in § 44 Abs. 4 Satz 3 BbgPolG-CDU-E vorgesehen ist, sehe ich als unverhältnismäßig an. Es handelt sich dabei um einen Eingriff in die durch Artikel 13 Grundgesetz (GG) geschützte Unverletzlichkeit der Wohnung.“ D. Hardge, Landesdatenschutzbeauftragte Brb
8. Ausweitung der durchgehenden Observation von Personen mit nun mehr als 72 h statt bislang 48 h (§ 32)
9. Erweiterung der Öffentlichkeitsfahndung (Suche mittels Angaben von persönlichen Daten (Bilder, Personenbeschreibungen etc.)) ins Vorfeld einer vermuteten Straftat statt wie bislang allein zur Aufklärung von Straftaten (§44)
10. Einsatz von Handgranaten bzw. Sprengmitteln gegen Personen möglich (§ 69)
Unsere Kritik und einige Stellungnahmen:
- Zum aktuellen Gesetzesentwurf sind kurze Kritikpunkte unserer letzten Pressemitteilung zu entnehmen. Weiterhin sind Kritikpunkte in unserem Aufruf zusammengefasst.
- Eine ausführliche Sammlung unserer Kritik stellt die Rubrik Fragen & Antworten bereit.
Darüber hinaus