Das Zwölfte Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes wurde heute, am 13.03.2109, im Brandenburger Landtag mit einer knappen Mehrheit von 6 Stimmen verabschiedet.
In der emotional aufgeladene Debatte im Vorfeld der Abstimmung wurde deutlich, dass es heute um mehr ging, als um die Abstimmung über ein Polizeigesetz. Die Debatte war geprägt von gegenseitigen Verunglimpfungen und pathetischen Darstellungen der mehrmonatigen Verhandlungen zwischen SPD und LINKE. Das geschlossene Auftreten der rot-roten-Koalition ist teuer erkauft. Das Zerbrechen der Landesregierung wurde verhindert, weil einzelne Abgeordnete gegen Wissen und Gewissen stimmten. Der parlamentarische Prozess führte dazu, dass einige Abgeordnete eigene Werte und Standpunkte an den Koalitionsfrieden verraten haben.
Parteizwänge und machtpolitische Ziele haben inhaltliche Aspekte in den Hintergrund gedrängt. Das bezeugen nicht nur die Wortmeldungen der LINKEN-Abgeordneten Mächtig und Tack im Nachgang der Abstimmung. Mächtig erklärt ihre Zustimmung beruhe nicht auf Überzeugung, sie wolle lediglich nicht mitverantwortlich sein für die „Destabilisierung der politischen Führung des Landes“. Datenschutzrechtlich sei das neue Gesetz ihrer Auffassung nach unhaltbar. Mächtig fordert Kritiker auf, gegen den Entwurf zu klagen. Anita Tack äußert sich ähnlich: Auch sie ist nicht von der Erweiterung polizeilicher Befugnisse überzeugt und kündigt an, sich öffentlich auch weiterhin dagegen zu positionieren.
Die Fraktion DIE.LINKE ist in den letzten Monaten von ihrer anfänglich proklamierten Ablehnung eines neuen Polizeigesetzes komplett abgewichen. Mit der fast geschlossenen Zustimmung zum Gesetz ist DIE.LINKE in Brandenburg keine Partei der Bürgerrechte mehr. Hinsichtlich der neuen Befugnisse konstatiert der innenpolitische Sprecher der LINKEn, Hans-Jürgen Scharfenberg, „Missbrauch“ sei „faktisch ausgeschlossen“. Das ist falsch: Erst nach vier Tagen steht zunächst unschuldig Inhaftierten das Recht auf einen Anwalt zu. Auch die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Ursula Nonnemacher, hält sowohl die maximale Gesamtdauer einer Präventivhaft von einem Monat als auch die viertägige Wartefrist auf anwaltlichen Beistand für unhaltbar. Doch all dem stimmt DIE LINKE zu.
Wochenlange Meldeauflagen, Kontaktverbote und Aufenthaltsgebote bleiben im Entwurf. Sie richten sich gegen „Terrorverdächtige“. Wie im Fall des Soziologen Andrej Holm sichtbar wurde, geraten auch politisch engagierte Menschen in den Fokus der Polizei und werden bequem mit dem Label „terrorvedächtig“ ausgestattet – um polizeiliches Handeln zu legitimieren.
Ebenso verfehlt die LINKE ihre Ziele beim Thema Schleierfahndung.
Die zusätzliche Proklamation des Antidiskriminierungsgrundsatzes ist ein Eingeständnis tatsächlicher diskriminierender Praxis der Polizeibehörde gegenüber nicht-weißen Mitmenschen. Auch wenn selbst die Grünen-Abgeordnete Nonnemacher konstatiert, der Hinweis sei die Manifestation des „weltoffenen Anspruchs der Brandenburger Polizei“, wird der Hinweis auf Landesverfassung und Grundgesetz wohl kaum das Verhalten von Polizistinnen und Polizisten in Brandenburg steuern, wie DIE.LINKE im Landtag sowie in ihrer letzten Pressemitteilung behauptet. Die Nachrangigkeit eines Polizeigesetzes hinter Grundgesetz und Verfassung ist eine Selbstverständlichkeit. Auch für diese irreführende Feigenblattpolitik steht nun die Brandenburger LINKE. Ursula Nonnemacher ist in einem weiteren Punkt zuzustimmen: die innerer Sicherheit wird im Brandenburger Parlamentarismus zum „Slapstick“.
Nonnemacher betont, dass ihre Fraktion noch immer keine Notwendigkeit für neue Polizeigesetze sieht: die bestehende Gesetzgebung ist ausreichend. Das Innenministerium kann „vermeintliche Sicherheitslücken“ darin nicht „seriös“ belegen. Darüber hinaus sollte die Polizei Instrumente wie die Quellen-TKÜ erst anwenden können, wenn wenigstens ausreichend IT-Expert*innen zur Verfügung stünden und ausgebildet seien, die die Behörde dringend brauche.
Auch das Bündnis gegen das neue Brandenburger Polizeigesetz hält seine Kritik aufrecht: Die Verabschiedung dieses Gesetzes wird Auslöser einer Kette von Gesetzesveränderungen werden, die unsere Grundrechte Stück für Stück aufweichen. Schon in der heutigen Abstimmung spricht Innenminister Schröter (SPD) davon, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts erneut in die Verhandlungen über eine Quellentelekommunikationsüberwachung gehen zu wollen.
Dait zeigen SPD und LINKE wiederholt, dass sie sich weder der Konsequenzen der Erweiterung polizeilicher Handlungsspielräume für Demokratie und Grundrechte bewusst sind, noch dem autoritären Sicherheitsdiskurs sozialdemokratische Politik entgegenzusetzen wissen: Der anfängliche Bezug auf terroristische Bedrohungen ist ein altbekannter Gemeinplatz und nach ein paar Jahren merkt niemand mehr, wie die angebliche absolute Ausnahme zur Normalität geworden ist.
Wenn bereits heute konservative Brandenburger Abgeordnete bürgerliches und kritische Engagement und Einstehen für Grundrechten in einer Plenarsitzung als „volksverhetzend“ und Menschen, die politisch aktiv oder Opfer von Polizeigewalt geworden sind als „Kollektivbeleidiger“ (Bernd Lakenmacher, CDU) verunglimpfen, wird sich eine zukünftige Gesetzgebung unter ihrer Federführung genau gegen diese Menschen wenden. LINKE und SPD haben dabei den ersten Stein geworfen.