Norman Lenz, Rechtsanwalt und Vorsitzender der Brandenburgischen Strafverteidiger-Vereinigung, referierte zur Gesetzesbegründung des neuen Entwurfs und zu Anforderungen an rechtsstaatliche Verfahren.
Strafverteidigung dient nicht der Verteidigung einer Tat, sondern des Menschen, der eine Tat begangen haben soll. Hinsichtlich des neuen präventiven Polizeirechts ist dies schwer zu vereinbaren, da es um eine Erweiterung von so genannten Vorfeldmaßnahmen geht, in denen noch kein Verdacht besteht und klare Sachverhalte selten sind.
Der aktuelle Entwurf soll dem vermeintlichen Sicherheitsgefühl der Bevölkerung Rechnung tragen und schränkt dafür massiv Grundrechte ein. Gefühle sind aber flüchtig und können sich ändern. Gesetzgebung soll auf objektiven nachvollziehbaren Bedürfnissen und Statistiken beruhen. „Ich spreche mich gegen die geplanten Maßnahmen aus. Es existiert keine reale Bedrohungslage, die diese Maßnahmen rechtfertigt“.
Die Gesetzesbegründung sieht er in seiner beruflichen Praxis ebenfalls nicht bestätigt. Der im neuen PolG verwendete Gefahrenbegriff ist eine Aufforderung zum „Orakeln und Spekulieren“ an die Polizeibehörde, denn eine drohende Gefahr ist lediglich die kaum zu prognostizierende Gefahr einer Gefahr – eine Tautologie. Die Gesetzgebung zielt auch erkennbar nicht darauf ab, nachweislich benötigte präventive polizeiliche Befugnisse zu erteilen, sondern der Polizei ein bloß „symbolisches“ Handlungsfeld zu eröffnen, das anfällig für Missbrauch ist.
Die zum Teil verklausulierten und schwammigen Tatbestände im Gesetz bringen zwangsläufig mit sich, dass die Polizei selbst jedes Mal unsicher sein muss hinsichtlich der Legalität bestimmter Eingriffe. In Bayern gebe es bereits eine schnelle Ingewahrsamnahme ohne die Beteiligung von Anwälten. „Es kann dazu kommen, dass jemand zwei Wochen im Gewahrsam verschwindet, ohne dass irgendjemand weiß, wo diese Person abgeblieben ist!“
Lenz sieht auch die Gefahr, dass Bürgerrechte weiter abgebaut werden und bisher gültige Standards einfach weggelassen werden. Überwachung nimmt aber den Menschen das Gefühl, dass sie sich frei entfalten können. Auch könne man die Einführung von „Feindstrafrecht“ ausmachen, wenn nämlich für „Terroristen“ ein anderes Verfahrensrecht gelten solle, als für alle anderen Menschen. Der so genannte Richtervorbehalt ist bisher auch nur in der Strafprozessordnung klar geregelt – bei präventiven, überhasteten Gewahrsamnahmen läuft er ins Leere.
Wie kommt es dazu, dass so viele schwammige Begrifflichkeiten Einzug in das Gesetz gefunden haben? „Das hat Methode. Das BKA-Gesetz hat schon die polizeilichen Befugnisse ausgereizt. Man will mit jedem neuen Sicherheitsgesetz testen, wie weit man gehen kann. Der Staat ist aber nicht von sich aus gut, nur weil er Gesetze macht! Wir dürfen die Gesetzgebungsverfahren auch nicht allein den Ministerien überlassen. Wir dürfen uns nicht darauf verlassen, dass der Rechtsstaat sich selbst schützt! Wir müssen dranbleiben und uns einmischen!“