Elisabeth Niekrenz, Juristin und politische Referentin der netzpolitischen Digitalen Gesellschaft, mahnte vor der Video- und Telekommunikationsüberwachung.
Der Staat könnte Software auf das Smartphone und den PC von Bürger*innen zum Zwecke ihrer Überwachung installieren – beispielsweise bei heimlichen Wohnungseinbrüchen, Routinekontrollen oder an Flughäfen. Bereits 1983 gab es zur Volkszählung ein Urteil vom Bundesverfassungsgesetz, das besagt, Überwachung sei ein Mittel, welches sich dazu eigne, die Opposition klein zu halten. Betroffene fühlen sich in ihrer Selbstbestimmung und ihren Handlungsmöglichkeiten beeinträchtigt und werden es allein durch dieses abstrakte Gefühl de facto auch. Das bedeutet, dass auch das Androhen von Überwachung zur Einschüchterung jedes politischen Engagement führt.
Weiterhin warnt Niekrenz: „Technische Informationssysteme sind nicht fehlerfrei. Zudem wurde nicht empirisch bewiesen, dass es Erfolge in der Terrorabwehr durch Überwachung gab.“ Insbesondere zur Diskussion der Quellentelekommunikationsüberwachung verweist Niekrenz auf die ausführliche Kritik in der Stellungnahme von Ulf Burmeyer: Der Staatstrojaner schafft keine Sicherheit, sondern Unsicherheit, dem Brandenburger Gesetzesentwurf fehlen nötige Informationen über die technischen Anforderungen oder konkrete Angaben zur zu nutzenden Software für eine solche Überwachung und was einmal eingesetzt wird entzieht sich aufgrund fehlender legaler Kontrollmechanismen jeglicher demokratischen und juristischen Kontrolle.
Der WannaCry Vorfall in den USA hat beispielhaft gezeigt, dass auch Hacker mit Schadensabsichten solche Lücken nutzen. Damit gefährden die Behörden durch das Nicht-melden und sogar Ankaufen solcher Lücken auf dem Schwarzmarkt die Sicherheit unserer Daten und Infrastruktur, die häufig auf IT-Systemen basiert (Stromversorgung, Verkehrssteuerungssysteme etc.). Der Beitrag zur allgemeinen Sicherheit wird also mit dem Einsatz solcher Mittel noch verringert – außerdem fehlt den Behörden einerseits das technische Know-how, andererseits gibt es Kompetenzüberschneidungen zwischen den Behörden, sodass immer undurchsichtiger wird, welche Behörde wann an welcher Stelle welche Art von Daten abgreifen darf bzw. abgreift.
Gegenüber Bürgerinnen und Bürgern wird vorgegeben, Terrorismus zu bekämpfen. Stattdessen wird die Terrorismusgefahr durch derlei technische Mittel erst recht erhöht. Das neue Brandenburger Polizeigesetz hält Niekrenz für „unverantwortliche Symbolpolitik“. Generell stellt sich immer die Frage, welche Gefahren Überwachung überhaupt wirklich bannen kann – in Frankreich gibt es die Vorratsdatenspeicherung, terroristische Anschläge gibt es dennoch.
Auf die Frage aus dem Publikum, wen diese Maßnahmen treffen könnten, antwortete Niekrenz: „Die Polizei wird nicht mehr als Ansprechpartner wahrgenommen, sondern als Feind. Durch das neue Polizeigesetz könnte die Gewalt gegen die Polizei, aber auch die Gewalt der Polizei gegen zum Beispiel politische Aktivisten legitimiert werden. Dadurch wird der Diskurs mit politischen Gruppen nicht mehr gesucht. […] Ich sehe hier die Gefahr der Radikalisierung der Bevölkerung, die das Vertrauen in den Staat, der seine Bürgerinnen und Bürger heimlich ausspionieren möchte, verliert.“ Die Frage „Wird das neue Polizeigesetz Auswirkungen auf die Arbeit von Journalist*innen haben?“ beantwortete Niekrenz klar mit: „Ja, die Freiheit des Journalismus kann dadurch eingeschränkt werden.“
Ein Abgrenzungsmerkmal der BRD gegenüber der DDR ist stets gewesen, dass diese ihre Bürger*innen nicht heimlich überwache, die schleichende Vergeheimdienstlichung der Polizei stellt das 30 Jahre nach dem Fall der Mauer in Frage.